Postkarte aus Wien – Unterm Astronautenhelm

Es ist Schwellenzeit: Gute Herbstbücher wollen noch gelesen werden, der ersten Frühjahrsnovitäten 2015 stehen in den Buchläden und warten auch darauf. Zu den ersten zählt der schmale Roman Zeit etwas Sonderbares von Isabella Feimer, erschienen im „Haus der schönen Bücher“, vulgo Septime Verlag. Dieser veröffentlichte innerhalb eines Jahres bereits das zweite Buch der Autorin, die 2013 ebendort mit dem bewegenden Roman Der afghanische Koch (2013) debütierte. Zwei Bücher, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Feimer erschreibt sich zusehends ihren Platz in der jungen Gegenwartsliteratur. 2012 winkte der Bachmannpreis in Klagenfurt.

Septime schätzt eine enge Bindung zu seinen Autorinnen und Autoren. Dazu gehört eben nicht nur Isabella Feimer – im Frühjahrsprogramm erscheinen weitere Romane von Tobias Sommer oder Jürgen Bauer. Schauen Sie rein.

FEIMER_ZES-COVER_CMYK-300Isabella Feimers Roman Zeit etwas Sonderbares ist intim, nah dran an seinen Figuren. Der innere Monolog der alternden Protagonistin pulsiert in ebenso kraftvollen wie poetischen Satzfetzen dahin; kunstvoll werden deren Gedanken, Gewünschtes, Erinnertes, Erlebtes und Figurenrede in eine Ordnung gebracht, auch satztechnisch. Nein, lustig ist und war Marias („die gewesene Maria“) Leben nicht. Ihr leuchtender Fixstern ist der „Mann im Mond„. Maria richtet bekenntnisreiche Briefe an Juri Gagarin, der angeschlagene Ton ist hoch. Gagarin mag als Chiffre für erlebtes Glück stehen, das Maria so nie erfuhr.

„Schwerelosigkeit ist, wenn der eigene Körper kein Gewicht, das einem in das Leben und den vom Leben gewählten Alltag hineindrückt“ (aus: Zeit etwas Sonderbares)

„Eine Frau und ihre Zeitalter – drei Momentaufnahmen, drei Stationen, drei Umbrüche. Die Einblicke in Marias Leben führen die Unausweichlichkeit der eigenen Geschichte vor, unspektakulär im Alltag, gnadenlos in ihrer Konsequenz. Maria, zeitlebens demütig im Hinnehmen, duldsam im Ertragen, sorgsam in der Erfüllung ihrer Pflichten, träumerisch im Wünschen, aber kompromisslos, wenn das eigene Ich in der Unbedeutsamkeit zu verschwinden droht.
Das Trauma einer Generation – man spricht nicht über die Dinge, nicht über eigene Gefühle, schon gar nicht über Vergangenes, Krieg, Verluste, Leid und Schuld.
Eingekapselt in Erinnerungen, Gedankenfetzen, stumme Emotionen – die Toten als ständige Begleiter, die Frage nach dem Sinn und der Relation von Zeit und Erleben so offensichtlich, aber niemals ausgesprochen.“ (Septime Verlag 2015)

  • Isabella Feimer: Zeit etwas Sonderbares. Roman. Wien: Septime Verlag 2014. 137 Seiten.

 

Senta Wagner (Text + Foto)

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