Post aus Wien – Ausflug in die Schweiz

Eine kleiner Ausflug in die Schweiz nur so zwischendurch. Aber nachschauen, was Urs Engeler Editor macht, lohnt sich immer. Verlagsseitig ging es seit der Gründung 1995 wechselvoll zu, mal hier, mal da auf- und wieder abtauchend steht der Name doch stets für qualitätsvolle Publikationen aus dem Reich der Poesie und der Literaturtheorie. Zum ersten zählen Autoren wie Elke Erb, Ulf Stolterfoht, Kurt Aebli und Urs Allemann, übersetzt aus dem Italienischen wird etwa bis heute der Lyriker Andrea Zanzotto; der Komparatist Hans-Jost Frey ist mit vielen Schriften ebenfalls eines feste Größe des Verlags. Unvergessen die klugen und präzisen Causerien zum Lesen und Schreiben (1998).

Im Heute angekommen heißt das kleine Buchhaus Engeler-Verlag und sitzt seit 2010 in Solothurn. Dort erscheinen auch die literarische Zeitschrift Mütze und die hübsche Reihe Urs Engelers Erben, die roughbooks (31 Titel), als Digitaldruck im Direktvertrieb flottierend. Unter den Autorinnen und Autoren finden sich manche der oben genannten  wieder. Hans-Jost Frey steuerte zuletzt roughbook 30 bei und die Miniaturensammlung Henrici (2014) mit dem feuerwehrroten Cover.
Henrici nimmt es in den kurzen Stücken ganz genau mit seiner Umwelt und der Sprache, schaut und hört hin, und entwindet sich am Ende eines jeden mit Bravour. Henrici ist ein munterer, hellwacher und pedantischer Zeitgenosse; seine Betrachtungen heißen etwa „Das H“, „Der Müll“ „Der Nagel“, „Die Käserinde“, „Die Wiederholung“ (über die gibt es auch ein Kapitel in Lesen und Schreiben).

 

indexHenrici zeigt den renommierten Zürcher Literaturwissenschaftler Hans-Jost Frey von einer neuen Seite: In 63 kurzen Geschichten lässt Hans-Jost Frey sein Alter Ego Henrici anhand alltäglicher Situationen und geläufiger Redewendungen über das nachdenken, was wir allzuoft gedankenlos tun und sagen, und das von A wie Ausland bis Z wie Zukunft.“ (Engeler-Verlag 2015)

  • Hans-Jost Frey: Henrici. Solothurn: Engeler-Verlag 2014. 84 Seiten. 19 Euro

 

 

 

 

Das Fenster

Durch die Glasscheiben war, auf beiden Seiten von den Vorhängen begrenzt, in der Mitte durch die Einfassung der Fensterflügel entzweigeschnitten, der Ausschnitt eines Ahorns im April zu sehen, dessen im Gegensatz zu später hellgrüne Blätter sich erst teilweise entfaltet hatten und rasch sich verformende Wolken durchscheinen liessen, die ab und zu den Blick auf einen blauen Schimmer freigaben. Das von eingetrockneten Regentropfen verunreinigte Glas legte über das Bild ein durchsichtiges Muster, das manchmal in es hineinzusinken und den Baum mit befremdlichen gallertartigen Früchten zu behängen schien, bis man es, den Kopf leicht bewegend, in die spröde Starre seiner Oberflächlichkeit zurückholte. Dann und wann stach ein Vogel quer durch die Aussicht. Henrici stand auf und verliess das Haus. (aus: Hans-Jost Frey, Henrici, 2014)

 

Senta Wagner

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