Post aus Wien – Maria Elend

Nicht alle österreichischen Verlage sitzen in ihrer eigenen Hauptstadt, immer wieder werden welche außerhalb entdeckt, im Grünen oder in den Bergen. Oder an einem Gewässer: Der kitab-Verlag liegt in Klagenfurt am Wörthersee, wo er 1998 gegründet wurde. In seinem Leitbild verfolgt er zweifellos sehr große Aufgaben. Kitabs Bücher sollen demnach dazu beitragen, „die gesamte Menschheit als Einheit zu betrachten, deren kulturelles Erbe es zu bewahren gilt. Dabei sollten auch jene Stimmen der kleineren geistigen Gruppierungen ein Echo finden, die in ihrem Ambiente nur eine Minderheit bilden.“
Neben deutschsprachiger Literatur finden sich Wissenschaftstitel und fremdsprachige Literatur in Übersetzung aus den „Weltkulturen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas“, darunter insbesondere aus Tschetschenien, der Türkei und Russland. Als engagierter Klagenfurter Verlag sieht sich Kitab darüber hinaus der slowenischen Sprache und Kultur verpflichtet und reflektiert in seinem Programm kritisch die nationalsozialistische Vergangenheit Kärntens.

Auf der unhandlichen Homepage (lesbar dafür in sechs Sprachen) wurde schließlich unter der Rubrik Shop/Bücher folgendes Werk gefunden mit dem geräumigen Titel Maria Elend. Peter Flickers Aufzeichnungen über eine etwas umständliche Reise, herausgegeben von Winfried Gindl. Nimmt es da einer mit den „Aufzeichnungen“ (Rilke, Gogol) der Literaturgeschichte auf? Vom Umfang her reicht es locker an einen Bolaño (2666) oder an eine Haratischwili (Das achte Leben (Für Brilka)) ran. Auch kleine Verlage können also dicke Bücher machen, in dem Fall auf zwei Bände verteilt.

71UjoOAkjVL„Das Manuskript dieses Buches wurde dem Herausgeber in noch handschriftlicher Form vor gut einem Jahrzehnt in einem schwarzen Müllsack vor die Tür gelegt. Erst Jahre später las er es und gibt es nun heraus. In dem Text schildert der Ich-Berichterstatter Peter Flicker – live, behauptet die Überschrift des Manuskriptes – eine Interrailfahrt mit seinem Freund Stefan im Sommer 1981 von ihrem Südkärntner Heimatort Maria Elend aus, auf der die beiden recht bald von dem vorgesehenen Weg abkommen und nichts wirklich Außergewöhnliches erleben: die Zug- und Schiffsreise, die Landschaften, das Meer, den Himmel, Tag und Nacht, andere Reisende, Passanten in den Städten, sich selbst, die eine oder andere Begegnung und ein paar mehr oder weniger aufregende Ereignisse … Im Großen und Ganzen das normale Ding, und daran hat man in der Regel ja zu kauen genug.“ (Kitab-Verlag 2015)

„Der Sonnenball hängt jetzt orange, vom Smog ein wenig eingetrübt, über dem zackigen Horizont, den Dächern der Stadt, so als würde er auf der Stadt draufliegen, das Licht wird auch schon schwächer, eine leichte Diesigkeit scheint sich in die Atmosphäre eingemischt zu haben. Ich blick einen Moment zu direkt, zu unvorsichtig auf die orange Kugel, die Blendung, das jähe Ziehen zwischen den Augenbrauen, der Abwendreflex, und nun flackern orange kleine Flecken, so wattebällchenartige Gebilde, vor meinen Augen auf, werden dunkler, grauer, wenn ich aber zwinker, flackern sie neuerlich orange auf … (ein gutes Weilchen bleibt das noch so)“ (Textauszug aus: Gindl, Maria Elend)

  • Winfried Gindl (Hg.): Maria Elend. Peter Flickers Aufzeichnungen über eine etwas umständliche Reise. Klagenfurt: Kitab-Verlag 2014. 1469 Seiten (2 Bde). 39,90 Euro

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