Post aus Wien – Aus der Nische erzählt

_DSC0528-Bearbeitet-Bearbeitet„Dem Publikum neue Werte aufzudrängen, die es nicht will, ist die wichtigste und schönste Mission des Verlegers.“ Mit diesem Zitat des Großverlegers Samuel Fischer begrüßt einen die Homepage, eine Art Heim- und Bastelarbeit, des Nischenverlags. Dieser wurde 2012 von Zsóka Lendvai in Wien gegründet und machte kurzerhand einen Namen zum Programm – im „Beiboot“ sitzend ihr Gatte, der Publizist Paul Lendvai. Mitunter lässt sich das Publikum aber immer wieder was aufdrängen. Und wenn schon nischig, dann richtig: Die Verlegerin hat sich editorisch auf die ungarische Literatur und ihre Übersetzung ins Deutsche und damit ihre großräumige Verbreitung spezialisiert. Freilich nicht die eines Kertész, Dalos, Nádas und Konsorten, sondern von unbekannteren oder vergessenen Autorinnen und Autoren. Da die Welt ja nun gerade nicht des Ungarischen mächtig ist, laufen alle Fäden der Vermittlung bei den versierten Übersetzern des Verlags zusammen. Die, so ist zu lesen, eben auch die Großen im Geschäft übersetzen.

Seit der Veröffentlichung des ersten Buchprogramms findet der kleine Verlag viel kritische Beachtung in den Medien, vor allem mit dem allerersten Titel Das rote Fahrrad von Ágnes Zsolt. Ein tieftrauriges und erschütterndes Dokument über die „Anne Frank Ungarns“. Die Frage der Urheberschaft, Originaltagebuch der 13-jährigen Eva oder ausfantasierte Notate ihrer Mutter Ágnes, ist bis heute ungeklärt. Seit seiner ungarischen Erstveröffentlichung 1947 besetzt der Titel nun dankenswerterweise erstmals auf Deutsch die Wiener Nische.

Cover_pixelKrisztina Tóth (geb. 1967) ist weder unbekannt noch vergessen, sie gilt als „anregende und angesehene Vertreterin“ der Gegenwartsdichtung Ungarns und veröffentlichte 2011 mit Strichcode ihr deutsches Prosadebüt, das inzwischen in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Wie die Fortsetzung eines Strukturprinzips klingt nun der 2013 erschienene Erzählungsband Pixel, der im Feuilleton hochgelobt und als „Entdeckung“ gefeiert wird. In der Bestenliste des ORF hat sich Pixel im Mai 2014 auf Platz 1 vorgearbeitet.

„Krisztina Tóth erzählt in Pixel monströse moderne Liebesgeschichten. In jeder spielt ein anderer Körperteil die Hauptrolle: Herz, Bauch, Auge, Mund, Zunge, Kinn, Kopf … Mit wenigen Sätzen und schonungsloser Menschenkenntnis skizziert sie Charaktere, seziert sie Körper, zerstört
sie Träume, schneidet aus dem Leben Pixel heraus, also Bildelemente von Personen, von der Umgebung, die sie geformt hat, der sie zu entkommen versuchen, in der sie gefangen sind.
Ist es der blinde Zufall, der sie zusammengeführt hat, oder enthüllt die Autorin eine unterschwellige Verbindung zwischen den Protagonisten? Triebe und Instinkte treiben die Menschen zueinander wie eh und je. Manchmal scheint das Glück kurz aufzublühen, doch dann zerplatzt es wie eine Seifenblase. Krisztina Tóth mutet ihren Lesern eine bittere Wahrheit zu.“ (Text: Nischenverlag 2014)

  • Krisztina Tóth: Pixel. Erzählungen. Aus dem Ungarischen von György Buda. Wien: Nischenverlag 2013. 180 Seiten. 19,80 Euro

 

Buch_Sandor_Husar_i_d_Hoelle_kleinMit seinem angekündigten Frühjahrstitel widmet sich der Verlag dem Gedenkjahr 1914. In seinem Roman Husar in der Hölle – 1914 beschreibt der renommierte Schriftsteller Iván Sándor (geb. 1930) die „Höllenfahrt eines als Husar kämpfenden jungen Ungarn an allen Fronten des Ersten Weltkriegs“ auf hochspannende Weise.

  • Iván Sándor: Husar in der Hölle – 1914. Aus dem Ungarischen von György Buda. Wien: Nischenverlag 2014. 220 Seiten. 19,80 Euro

 

Eine Nische erweitert den Raum, aus einer Nische lässt es sich aber auch hervortreten.

(Wiener Riesenrad: Foto: U. Felkel)