Geburtstagspost von Wien in die Provinz

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25 Jahre Verlag Bibliothek der Provinz

Wenn Provinz und Bibliothek sich als Begriffe auf das Engste paaren, kommt ein schillerndes Produkt heraus, das in diesem Jahr 25 Jahre alt wird: der Verlag Bibliothek der Provinz. Provinz ist immer da, wo nicht Metropole ist. Das Gedeihliche dort fasst der Verleger Richard Pils in folgende Worte:
„Und Provinz ist das Verhinderte, Gleißende, Unpädagogische, Wurzelige, das Neugierige, Zornige, Glückliche, Rostige, Stumpfe, Kleine, Frierende, Freilassende, Mühsame, Nächtliche, die Moosbeere, die Kruste auf dem ausgezogenen Apfelstrudel, das Muttermal auf deinem rechten Schulterblatt, das Schweigenmüssen und Nichtverraten und natürlich die Lorenzibirne, der Marschanzkerapfel, der Brätling, der blauviolett schillernde Mistkäfer, der Raunersalat, …“ Der Sitz des Verlags ist also der Gemeindeflecken Weitra, der in Niederösterreich im oberen Waldviertel liegt und mehr Wald als Flecken ist.

Seine eigene Bibliothek habe der Quereinsteiger Pils erweitern wollen, wogegen nichts einzuwenden ist, und dem Verlag inzwischen geschätzte tausend Titel bescherte. Das Wesen einer Bibliothek ist ihr Befüllen mit Neuem, ihrem Nachfüllen von Vergessenem und schließlich das Bewahren. Der Begriff selbst geht auf die Antike zurück und bedeutete Bücherkiste.
„Publiziert wird, was der Bibliothek gefällt und fehlt.“ Pils setzt auf seine Ideale und seine Leidenschaft. Im Verlagsprofil wird er als „Förderer geistiger Welten“ bezeichnet. Von ökonomischen Zwängen ist überhaupt keine Rede. Angefangen mit Sagenbüchern liegt der programmatische Schwerpunkt heute auf österreichischer Literatur, Regionalia und Musikalia, Kinderbüchern sowie Bibliophilem aus Kunst und Wissenschaft.

In diesem noch andauernden Bücherfrühjahr erscheinen satte sechzig Titel, das blumendurchtränkte Verlagsprogramm ist entsprechend dick, textlastig, gegen Ende (Kinder I Jugend und Kunst) bunter. Die 26 Belletristikbücher, darunter kurze Erzählbände, Gedichte, Romane und ein Essay von Marlene Streeruwitz, werden anhand von einspaltigen Textauszügen vorgestellt, die Autorinnen und Autoren gar nicht. Das mag an dem großen Aufgebot an Veröffentlichungen liegen.
Auch Übersichtlichkeit ist etwas anderes, die Verlagshomepage macht es der Informationssuche nicht einfach, Erscheinungsdaten zu den Büchern fehlen. Autoren des Verlags sind beispielsweise Herbert Achternbusch, Bernhard, Büchner mit Lenz, Peter Henisch und Josef Winkler. Viele von ihnen und ihre Bücher sind vielfach preisgekrönt und ausgezeichnet. Das spricht für die Ästhetik und den Eigensinn der Bibliothek der Provinz. Unabhängig ist sie allemal.
Seit 1996 ist Richard Pils darüber hinaus Eigentümer von Schloss Raabs an der Thaya, das er zu einem florierenden Kulturzentrum ausbaute.

Weil die Auswahl so schwer fiel, anbei Mayröcker aus der Backlist:

Kaufmann - Sneke Cover.inddSneke
Die Sneke hatte 1 Freundin
Die Freundin war eine Träne.
Die Freundin hieß Träne.
Die Sneke weinte
die heiße Träne,
die Träne hatte in
1 Auge der Sneke
gewohnt
und nun
stürzte
sie zu Boden.
Die Sneke kniete nieder
und hob die Träne,
die auf den Boden
gefallen war, auf
sodass die Träne an den
Fingerspitzen der Sneke glitzterte
in der Sonne wie 1 Edelstein.

  • Friederike Mayröcker, Angelika Kaufmann: Sneke. Weitra: Verlag Bibliothek der Provinz 2011. 28 Seiten. 18 Euro.