Flaschenpost aus Wien – Lob Glück Safari

gaussErneut wird nach Salzburg ausgerückt, diesmal um die Frühjahrsnovitäten 2014 des Otto Müller Verlags anzuschauen. Ein Familienverlag mit langer und wechselvoller Geschichte: Gegründet 1937 durch Otto Müller steht er heute noch unter der Leitung eines Enkels des Gründers. Nach Repressionen durch die Nazis konnte der Verlag erst 1946 seine Arbeit fortsetzen und widmet sich fortan der schönen Literatur, auch der Theologie, Geisteswissenschaften sowie seit Kurzem der Herausgeberschaft künstlerischer Fotografie (Edition Fotohof). Ein früher verlegerischer Coup war 1938 der Erwerb der Rechte am Werk des Dichters Georg Trakl. Nun fällt im Verlagsverzeichnis die Gesamtausgabe der Hildegard von Bingen ebenso ins Auge wie die zahllosen Publikationen eines echten Bestsellerautors seit 1945: Karl Heinrich Waggerl, in der Literaturgeschichte Österreichs (Zeyringer/Gollner) rundheraus als „ehemaliger Nazivorzeigeschriftsteller“ tituliert. Gelesen wird er noch immer. Und im Verlag scheint Gras über die eigene Geschichte gewaschen zu sein.

Karl-Markus Gauß – Lob der Sprache, Glück des Schreibens

Karl-Markus Gauß, ‚einer der größten Stilisten der Gegenwartsliteratur‘ (Günther Kaindlstorfer), verfügt über viele Formen und Tonlagen. Der „Welt-Alltag“ ist das unbekannte Terrain, das er seit dreißig Jahren literarisch erkundet, scharfsinnig, gelehrt und witzig. In dieser ersten Sammlung seiner kleinen Prosa erzählt er von den einfachen und den verwirrenden Dingen des Lebens, von den Verheißungen des Fortschritts und seinen eigenen Vorurteilen, von weltberühmten Medienfiguren und vergessenen Schriftstellern. Worüber er auch schreibt, über die Aufrüstung der Sexualität, die Abschaffung der Peinlichkeit, die Muttersprachen als Urgrund von Selbstbewusstsein, Phantasie und Revolte, stets überzeugt er mit der Originalität seiner Gedanken, der Eleganz seiner Sprache. In seinen wie mit leichter Hand verfertigten Feuilletons und seinen weitgespannten Essays wird das Bekannte fremd, das Unbekannte vertraut, und durch alle Kritik hindurch findet der Autor immer wieder zur Feier des alltäglichen Lebens, zum Lob der Sprache und zum Glück des Schreibens.“ (Text: Otto Müller Verlag 2014)

Kurz und gut: pointierte Glosse, eleganter Essay, kulturkritische Polemik, selbstironische Erzählung“.

Berühmt ist Gauß für seine „Reportagen über die kleinen Nationalitäten Europas“. Seit 1991 ist er außerdem Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift Literatur und Kritik. Für sein herausragendes Gesamtwerk wurde er vor wenigen Wochen mit der Verleihung des Österreichischen Kunstpreises 2013 geehrt. Die Laudatio erstreckt sich über sieben Vignetten (Hommes de Lettres, Forscher, Für- und Widersprecher, Satzbaumeister usw.) und weil oben von schauen die Rede war, wird mit dem „Hinschauer“ Gauß geendet: „Ein Hinschauer sein, kein Zuschauer!“

  • Karl-Markus Gauß: Lob der Sprache, Glück des Schreibens. Salzburg: Otto Müller Verlag 2014. 186 Seiten. 19 Euro. Erscheint im März

grillAndrea Grill Safari, innere Wildnis

Eine Hausautorin der jüngeren Generation ist Andrea Grill. Sie veröffentlichte bei Otto Müller bereits mehrere Romane und Erzählungen, Safari, innere Wildnis ist ihr zweiter Lyrikband. „Eine poetische Reise ohne Grenzen. Durch Kulturen und Sprachen, Wochentage und Tageszeiten, Gefühlskontinente und Verwandlungszonen.“

grill cover„Kugelgeister und ein Herzkitz begegnen uns darin, es riecht nach Holz und nach Linden, es zwitschert, flüstert, knistert und schnattert. Mit wenigen Worten gelingt es Andrea Grill, ein dichtes Netz an sinnlichen Eindrücken zu weben. Die Gedichte sind, wie die Autorin selbst, in verschiedenen Sprachen beheimatet, wie selbstverständlich stehlen sich italienische, französische, englische Gedichtzeilen dazu. Fasziniert und staunend folgt man dieser sprühenden, leichtfüßigen, aber doch tiefgründigen Poesie. Jemand kauft Seelen am Naschmarkt, jemand drückt auf die Klingel des Lebens, aber nur „1x“. Und im Gedicht Wir glauben nicht heißt es zuversichtlich: „birneessend kann die Welt nicht untergehen“.“ (Text: Otto Müller Verlag 2014)

  • Andrea Grill: Safari, innere Wildnis. Gedichte. Salzburg: Otto Müller Verlag 2014. 80 Seiten. 18 Euro. Erscheint im März