Stille Post aus Wien – Lyrik bei Ferdinand Berger & Söhnen

Seit bald fast 150 Jahren ist ein Unternehmen am Werken und Tun und tritt erst jetzt beim Hotlistblog in Erscheinung. Der Verlag Ferdinand Berger & Söhne (kurz Verlag Berger) wurde gemeinsam mit einer Druckerei 1868 gegründet und hat seinen Sitz in Horn, einem Örtchen in Niederösterreich. Großes entfaltet sich bekanntlich aus Kleinem, und so wächst seit 1920 kontinuierlich ein Programm bei den Bergers heran, das Spezialinteressen ebenso bedient wie ein breites Publikum. Man kann seitenlang in den Neuerscheinungen dieses Jahres blättern, die von belletristischen Titeln über Lehr- und Kinderbücher bis hin zu einer dreibändigen Ausgabe über Franz Ferdinand reichen. Die qualitätsvolle und hochpreisige Reihe Kunsttopografie widmet sich seit Jahrzehnten Österreichs Kunstdenkmälern.

Unter der Rubrik erLESENes wird Lyrik entdeckt: Im Jahr 2013 ruft der Verlag mit einem Herausgebertrio eine hübsche und unauffällige „Kleinbuchreihe“ ins Leben, die sich Neue Lyrik aus Österreich nennt, Unveröffentlichtes im Visier hat und bereits acht Bände umfasst mit jeweils genau 64 Seiten ohne Vor- und Nachwort. Sie will „arrivierten DichterInnen und viel versprechenden Neuentdeckungen eine zeitgemäße Bühne“ bieten und nimmt die Sache ernst:

„Gegen Beschränkung und Beschränktheit in der aktuellen Lyrik anzutreten, hat sich die Reihe Neue Lyrik aus Österreich unter anderem zum Ziel gesetzt. Poesie hat dort, wo sie über Fokus, Form und Aussage verfügt, nichts mit dem Poesiealbum zu tun und nichts mit larmoyanter Innerlichkeitsnabelschau, die in jedweder Genreabteilung von eher mäßigem Interesse ist.
Das Gedicht erfordert sowohl in seiner Genese als auch bei der Lektüre bestimmte Voraussetzungen. Die Verdichtung eines Bildes auf dem Raum einer Nadelspitze, beispielsweise, Assoziationsfreiraum und Interpretationsspielraum – und deren Nutzung. Das Gedicht ist keineswegs der literarische Weichzeichner oder das Abfallprodukt der ernstzunehmenden Literatur. Das Gedicht fordert Schreibende wie Lesende. Und es greift an. Viele Ebenen.“ (Verlag Berger 2014)

Isabella Breier – Anfang von etwas

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„Isabella Breier komprimiert und assoziiert bis hin zur Schmerzgrenze, sie schleudert Schlangen und ausgerissene Flügel in ihr poetisches Programm – und die Bilder, egal welche Schräglage sie in ihrem Furor ausloten, halten.
Dort, wo es still wird, ist die Leserin/der Leser beinahe beunruhigt – das kann doch nur das Auge des Orkans bedeuten? Die Nachdenklichkeit, die Reflexion sind gut eingeschaltet in eine Radikalität des Ausdrucks, denn egal, worum es geht, selbst – oder auch: gerade dann, wenn es um die existentielle Schönheit geht, ist „das Genick kunstvoll gebrochen“.
Hier tönt eine kraftvolle Stimme, die das Register vom heiseren Flüstern bis zum Gebrüll ausreizt.“ (Verlag Berger 2014)

dieses Bild, von einem Bild

in schwerer Stunde
kam leichter Schatten
und setzte sich
wie ein Schmetterling
auf die letzte Blume
im Patio

dort
war Asche
in Ecken gekehrt
und hat penetrant
nach Seele gerochen

(aus dem Zyklus III. VON BILDERN, DIE BERSTEN)

blau machen

das Rauschen
der Autos, der Donau, der Fernwärme

ist draußen
jede Menge Effizienz an leeren Laubbäumen vorbei
ist drinnen
ein bisschen Klang und sehr voller Tag, ganz
ohne Ziffernblatt

(aus dem Zyklus VI. VON KLÄNGEN, DIE SCHWAPPEN)

  • Isabella Breier: Anfang von etwas. Neue Lyrik aus Österreich. Band 8. Herausgegeben von Nils Jensen, Sylvia Treudl, Hannes Vyoral. Horn: Verlag Berger 2014. 64 Seiten. 16,50 Euro