Feldpost aus Wien – Leidenschaftliche Prosa gegen

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den Wahnsinn des Ersten Weltkriegs. Nein, nicht vergessen, erinnern, hundert Jahre später, immer. Mit den beiden Reihen Zeitgeschichte und Revisited des Wiener Milena Verlags haben die Erinnerungskultur an die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und die Nachkriegsjahre sowie sonstige Sittenbilder eine wachsame Heimat. Bücher wieder zugänglich zu machen, so das Credo von Revisited, heißt, ihre Geschichten und AutorInnen vor dem Vergessen zu bewahren. In der außergewöhnlichen Klassikerreihe finden sich Titel zum Beispiel von Hugo Bettauer, Otto Basil und Hilde Spiel.

Ab sofort erhältlich ist Band 15 – das „frühe Meisterwerk der Antikriegsliteratur“ Menschen im Krieg von Andreas Latzko, die titelgebende „leidenschaftliche Prosa gegen den Wahnsinn des Ersten Weltkriegs“.

„In Andreas Latzkos erfolgreichstem Buch Menschen im Krieg wird die Fratze des Krieges 12 Jahre vor Remarques Roman Im Westen nichts Neues ungeschminkt und unverhüllt sichtbar.
Es sind Novellen von der Front des Ersten Weltkrieges, aus den Schützengräben, Lazaretten und aus den Städten, die zu den Kriegsgewinnern gehörten – nicht die politischen Ereignisse werden geschildert, auch nicht taktisch-militärische Überlegungen, sondern der Alltag und das Befinden der Soldaten, deren Bewusstsein und dunkle Instinkte. Man begegnet ihrer realen Qual, ihrem Ausgeliefertsein an eine Maschine, deren Zweck letztlich nicht mehr verstanden werden kann. Selbst wem es gelingt, diesem „Duell der Munitionsindustrien“ zu entkommen, bleibt ohne Hoffnung zurück. Die Davongekommenen müssen das weitere Leben mit ihren körperlichen und seelischen Verletzungen fristen.

Latzko war es ein Anliegen, die Menschen mit seiner Sprache zu packen und ihnen wehzutun, denn nur was den Menschen durch Erwecken seiner Fantasie zwingt, am eigenen Leib zu fühlen, fügt er seinen Mitmenschen nicht mehr zu.

Das in erster Auflage 1917 anonym publizierte Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt und in allen kriegführenden Staaten verboten. Der Pazifist Latzko wurde, anders als Karl Kraus es in der „Fackel“ forderte, vergessen. Dabei mitgeholfen hat die massive Ablehnung der Nationalsozialisten gegenüber dem Altösterreicher und seinem Werk – Menschen im Krieg gehörte zu jenen Büchern, die am 10. Mai 1933 den Bücherverbrennungen in Nazideutschland zum Opfer fielen.“ (Milena Verlag 2014)

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  • Andreas Latzko: Menschen im Krieg. Mit einem Nachwort von Dr. Hans Weichselbaum. Wien: Milena Verlag 2014. 180 Seiten. 20,90 Euro.

 

978-3-902950-055Und weil wir schon in den Jahren ab 1914 sind, verweilen wir und wenden uns vom Grauen zum Glanz. Im Frühjahr erschien in der Reihe Zeitgeschichte Rosl und ihre Tochter von Liesl Müller-Johnson, der über 90-jährigen Tochter des ehemaligen Kabarettstars Rosl Berndt, exakt hundert Jahre nach deren Bühnendebüt. Die Autobiografie erzählt vom Leben und Kabarett zwischen 1914 und 1936.

„Schon als Kinderstar wusste Rosl Berndt das Publikum zu verzücken. Ihre Karriere beginnt früh und katapultiert Rosl in die Glamourwelt des internationalen Kabaretts; die Heirat mit Karl Müller, dem Eigentümer des „Simpl“, verschafft ihr Zutritt zu den europäischen Bühnen.

Rosl Berndts Karriere beginnt früh – nachdem sie im Dezember 1914 am Carltheater debütiert, wird sie innerhalb kürzester Zeit zu einem gefeierten Kinderstar, das Publikum tobt vor Begeisterung. Dann heiratet Rosl Karl Müller, den Eigentümer des berühmten und legendären Kabaretts „Simpl“, bekommt mit ihm ihre Tochter, Liesl, und die Karrierekurve geht noch steiler nach oben.

Die Welt von Rosl Berndt und Liesl ist bestimmt von Glanz und Glamour, Stars wie Marlene Dietrich und Richard Tauber gehen darin ein und aus. Das Schicksal geht mit dem jüdischen Kabarettstar Rosl gnädiger um als mit ihren Kollegen Fritz Grünbaum oder Fritz Löhner-Beda. Sie muss nicht emigrieren wie ihre Bühnenpartner Hermann Leopoldi und Karl Farkas, sondern folgt 1936 ihrem zweiten Ehemann, einem rumänischen Ölmagnaten, nach Bukarest, wo sie und ihre Tochter den Zweiten Weltkrieg nahezu unbehelligt überleben.

Müller-Johnson erzählt vom Leben im jüdischen Grätzel in der Leopoldstadt der 1920er-Jahre, von der Realität der Reformpädagogik an der Odenwaldschule und der harten Wirklichkeit hinter dem schönen Schein einer Bühnenexistenz. In der deutschsprachigen Ausgabe von Rosl und ihre Tochter wurden von Monika Mertl die Bezüge zum Zeitgeschehen deutlich herausgearbeitet.“ (Milena Verlag 2014)

  • Liesl Müller-Johnson: Rosl und ihre Tochter. Aus dem Englischen neu gefasst und ergänzt von Monika Mertl. Wien: Milena Verlag 2014. 253 Seiten. 23,90 Euro. (Am 18.9.2014 wird Liesl Müller-Johnson ihr Buch in Wien gemeinsam mit Monika Mertl präsentieren und hübsch singen! Das wäre vorzumerken.)