Postskriptum vom Dorf – Rauriser Literaturtage

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Die Rauriser Literaturtage sind Schnee von gestern. Die Literatur bleibt uns. Der renommierte Rauriser Literaturpreis (8.000 Euro) ging an Saskia Hennig von Lange für ihre großartige Debütnovelle Alles, was draußen ist (Verlag Jung und Jung 2013), den Förderungspreis bekam die gebürtige Salzburgerin Renate Aichinger zuerkannt für ihren eindringlichen Text amaurose.

Der Rauriser Literaturförderpreis ist als anonymer Wettbewerb für Kurzprosa ausgeschrieben, die, der Schreibende muss irgendeinen physischen Bezug zu Salzburg aufweisen. Salzburg ist ja als Land vieler Preisausschreibungen bekannt. Ein Förderpreis fördert Talente am Anfang ihrer Karriere. Gut und schön. Das Thema des Wettbewerbs lautete „Zeitgeist. Aichingers Text also ist genau und subtil einer Gegenwart abgeschaut, die eine der virtuellen Vernetzung ist, der Egozentrik, aber auch der sozialen Vereinsamung. Das zeigt sich auch eindrücklich an ihrem elliptischen Stil, der durch das häufige Weglassen des finiten Verbs nach einer Verdichtung der handlungsarmen Geschichte um eine junge Frau strebt.

Renate AichingerDie 37-jährige Renate Aichinger lebt heute in Wien und trat schon vor etlichen Jahren im Fach Regie und Dramaturgie in Erscheinung. Das Prosa- und Lyrikschreiben kam erst später. 2012 veröffentlichte sie in der edition laurin (ja, die seit 2010 aktive Belletristikreihe der innsbruck university press) ihren Debüterzählungsband WELT.ALL.TAG, bei dem sich die Kritik an Jelinek erinnert fühlte.

Im Herbst 2014 erscheint im selben Verlag wundstill, ein Band mit Gedichten.

„Renate Aichinger behandelt in ihren Gedichten mit viel Sympathie für jene, die im großen globalen Getriebe nicht mehr richtig funktionieren, traditionelle literarische Topoi wie Zeitgeist, Vergänglichkeit und Generationenkonflikte. Sie bedient sich dabei einer Sprache, die ihre assoziativ gestaltete Innensicht eindeutig in der heutigen Welt verankert und die Hinterhältigkeit der Sprache von Werbung und Politik demaskiert. Durch subtile Formulierungen, einen eindrücklichen urbanen Stil und verdichtete Bedeutungszusammenhänge werden Menschen gezeigt, die in der Reizüberflutung und Schnelllebigkeit der heutigen Zeit Gefahr laufen, sich jeden Moment selbst abhandenzukommen. Trotz allem vermag es der charmante schwarze Humor der gesellschaftskritischen und politisch engagierten Gedichte den Lesenden da und dort ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.“ (Text: edition laurin, 2014)

wundtsill

zwischenstation

irgendwann werden sie uns zu groß
die schuhe
& wir ziehen sie aus

irgendwann sind wir groß
& ziehen uns aus

irgendwann sind wir zu groß
& ziehen aus

(aus: wundstill, 2014)

 

 

  • Renate Aichinger: WELT.ALL.TAG. Erzählungen. Innsbruck: edition laurin 2012. 152 Seiten. 16,90 Euro.
  • Renate Aichinger: wundstill. Gedichte. Innsbruck: edition laurin 2014. 136 Seiten. 16,90 Euro. Erscheint im September.

 

Fotos: sw (Renate Aichinger, Rauris 2014)

Der Text amaurose ist nachzulesen in der Literaturzeitschrift SALZ (Heft 155).